KJP-Facharzt-Blog
von Wolfram Kröger
"Jeder rät mir zu einer anderen Therapie für mein unkonzentriertes Kind. Ich bin total verwirrt."
Es werden sehr viele Behandlungen bei Konzentrationsschwierigkeiten bzw. AD(H)S angeboten, die nur wenig wirksam oder unwirksam sind.
Das Wichtigste ist: Sie als Eltern müssen das Verhalten Ihres Kindes verstehen. Und Sie müssen verstehen, dass Ihr Kind Sie in der Regel nicht ärgern möchte mit seinem Verhalten. Dies lernen Sie als Eltern in einem ADHS-Elterntraining.
Jede ADHS-Behandlung sollte aus meiner Sicht regelmäßig überprüft werden. Fragen Sie sich alle paar Wochen: bringt mich und unser Kind die Behandlung im Alltag wirklich weiter? Hat die Behandlung zu einer deutlichen Verbesserung der Situation in der Schule und Zuhause geführt?
Und falls dies nicht der Fall ist, sollten Sie das ganz ehrlich und offen mit den Therapeuten ansprechen. Denn Ihre Zeit ist zu kostbar für unwirksame Therapien.
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"Ich habe Angst, dass mein unkonzentriertes und unorganisiertes Kind später im Leben versagt!"
Ich möchte Sie als Eltern provokant fragen: Wie kommen Sie eigentlich zu einer solchen Annahme? Weil Ihr Kind die langweiligen Alltagsdinge nicht hinbekommt, die Ihnen als Eltern so wichtig sind?
Überlegen Sie einmal genau, welche Dinge Ihr Kind ziemlich gut kann. Ich bin mir sicher, da wird Ihnen sehr viel einfallen. Und bitte nicht nur an Schulfächer dabei denken.
Gute Jobs der Zukunft sind kreative Jobs. Und kreativ ist Ihr Kind doch, oder? Das Gehirn Ihres Kindes wird sich in den nächsten Jahren weiterentwickeln, geduldiger werden.
Und Ihr Kind wird eine gute Zukunft haben, wenn Sie immer zu Ihrem Kind stehen. Wenn Sie sich fortwährend bemühen, es wirklich zu verstehen. Wenn Sie es angemessen unterstützen. Und wenn Sie es nicht verurteilen, für Dinge, die ihm nicht so liegen.
Ihr Kind kann doch sicherlich etliche Dinge, die Ihnen als Eltern nicht so leicht von der Hand gehen, oder? Das Problem: Wir regen uns im Alltag oft darüber auf, was nicht gut funktioniert. Aber wir staunen zu wenig über die Dinge, die Ihr Kind bemerkenswert gut kann. Und das muss sich ändern. Zum Wohl des Friedens bei Ihnen zuhause, und auch, um Ihrem Kind zu helfen, seine eigenen Stärken besser wahrzunehmen.
Deshalb sollten Sie sich über Schwierigkeiten nicht sehr aufregen. Aber es wäre wichtig, die Dinge, die Ihr Kind besonders gut kann, zwischendurch immer mal wieder anerkennend zu erwähnen. Dadurch stärken Sie Ihr Kind und geben ihm Selbstvertrauen.
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"Bei meinem Kind mit ADHS hatten die Medikamente starke Nebenwirkungen. Muss mein Kind ohne Medikament klarkommen?"
Grundsätzlich: deutliche Nebenwirkungen dürfen wir nicht akzeptieren!
Wenn Ihr Kind aufgrund von ADHS deutlich leidet, z. B. in der Schule, dann besteht meistens schon ein Grund, vorsichtig mit einem Medikament zu starten.
Oft wird leider mit einer zu hohen Tagesdosis gestartet. Oder zu schnell die Dosis erhöht. Dies führt bei vielen Kindern dann zu Unwohlsein, Übelkeit, Kopfschmerzen etc. Natürlich darf das nicht sein.
Es gibt in der Apotheke eine Vielfalt von unterschiedlichen Zubereitungen von ADHS-Medikamenten. Deshalb finden erfahrene Ärzte durch gute Auswahl meist ein geeignetes Medikament für ihr Kind. Ohne dass belastende Nebenwirkungen auftreten.
Die Wirkdauer kann zumeist individuell angepasst werden: Zum Beispiel mit Schwerpunkt der Wirkung auf der Schulzeit. Nachmittags und am Wochenende kann man - falls möglich - auf die Wirkung des Medikamentes verzichten.
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"Mein ADHS-Kind hat eine Kapsel nicht vertragen. Direkt wurde auf einen anderen Wirkstoff umgestellt."
Wichtig ist hier zu unterscheiden zwischen Wirkstoff und Verkaufsname. Der Wirkstoff Methylphenidat, der in den meisten Fällen bei ADHS als erste Wahl gilt, ist erhältlich in Form von Tabletten (sofortige Freisetzung) oder Kapseln (verzögerte, längere Freisetzung).
Kapseln (bzw. Retardtabletten) mit den Verkaufsnamen Medikinet, Equasym, Kinecteen, Concerta, Ritalin enthalten alle den gleichen Wirkstoff Methylphenidat.
Wenn es gewisse Unverträglichkeiten bei einer Kapsel mit dem Wirkstoff Methylphenidat gibt, dann ist entweder (1.) die Dosis zu hoch oder (2.) die Art der Freisetzung passt nicht zum Kind oder (3.) das Medikament wird generell nicht vom Kind vertragen.
Punkt 3. trifft jedoch seltener zu als die ersten beiden Punkte. Deshalb hilft es oft, die Dosis zu reduzieren oder zur Kapsel eines anderen Herstellers zu wechseln. Und zwar bevor man auf einen anderen Wirkstoff umstellt.
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"Mein Kind nimmt ein Medikament wegen ADHS. Wie erkenne ich Nebenwirkungen?"
Sie als Eltern sind sicherlich froh, dass die Schule und das Lernen besser funktionieren.
Jedoch sollten Sie auch überlegen: ist die Laune meines Kindes gut? Oder ist die Laune nachmittags gereizt? Kann mein Kind am Tag gut essen oder kommt der Appetit erst abends wieder? Kann mein Kind abends gut einschlafen oder liegt es zu lange wach?
Wann liegt wahrscheinlich eine Nebenwirkung durch das Medikament vor? Dann, wenn die Schwierigkeiten bei Ihrem Kind nur an den Tagen auftreten, wenn es früh das Medikament eingenommen hat (wie z. B. Medikinet, Ritalin, Concerta, Kinecteen, Equasym, Elvanse, Attentin). Und nicht an Tagen, an denen Sie das Medikament wegließen.
Sprechen Sie dann bitte Ihre Ärztin oder Ihren Arzt an. Beeinträchtigende Nebenwirkungen sollten Sie Ihrem Kind nicht zumuten.
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"Die Schwierigkeiten durch ADHS sind wieder stärker geworden. Braucht mein Kind dann eine höhere Dosis vom Medikament?"
Nicht unbedingt. Zuerst sollte der gesamten Alltag des Kindes angeschaut und viele Fragen gestellt werden:
- Wann treten welche Schwierigkeiten auf?
- Sind die Verhaltensschwierigkeiten wirklich durch das ADHS bedingt?
- Oder gibt es Konflikte mit einem speziellen Mitschüler oder einem Lehrer?
- Was genau beschreiben die Lehrer aktuell?
- Sind Sie als Eltern gerade besonders gestresst und erschöpft?
Aufs Kind schauen ist gut. Aber auch Einflüsse aus dem Umfeld dürfen nicht übersehen werden.
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